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Erklärungsansätze

Wie „wirken“ Tiere und worin begründet sich die Annahme, dass der Einsatz von Tieren in pädagogischen/therapeutischen Arbeitsfeldern sinnvoll ist?

Nachfolgend möchte ich mich auf einige von Prof. Dr. Olbrichs Ausführungen zur wissenschaftlichen Erklärung über die Wirksamkeit von Tieren in der Therapie und Pädagogik stützen und kurz erläutern, ohne dabei den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben:[1]

Nach WATZLAWICK haben Menschen die Möglichkeit, sich der digitalen und/oder der analogen Kommunikation zu bedienen. Die digitale (verbale) Kommunikation ist abstrakt und dient der Informations- und Wissensvermittlung, die analoge Kommunikationsform hingegen ist nicht abstrakt und dient als Sprache der Beziehungen, sie ist direkter und drückt Gefühle aus.[2] Dieser Kommunikationsform bedienen sich die Tiere und sprechen dadurch unbewusst archetypische Elemente (JUNG) im Menschen an, die im Laufe des Heranwachsens und Erwachsenwerdens immer weiter von kognitiven Prozessen überlagert werden. Eine Verknüpfung sowohl der bewussten als auch der unbewussten Elemente im Menschen trägt weiter zum ganzheitlichen Ansatz und damit auch zu einer Verfügbarkeit bzw. Erweiterung persönlicher, individueller Ressourcen bei.  

Hier möchte ich mich auf OLBRICHs Schlussfolgerungen zu A. Schweitzers Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben beziehen: 

„Das Zusammenleben mit Tieren, das Mitleben, Mitleiden und Mitfreuen mit diesen nicht urteilenden, diesen nicht reflektierenden, geschweige denn nach Maßgabe von Re-Flexionen beurteilenden Lebewesen lässt mich ganz einfach und doch ganz umfassend so sein, wie ich sein kann, es erlaubt mir zudem, ein Stück weit ganzer Mensch zu werden.“[3]

Durch dieses Zitat wird deutlich, dass Tiere – im Gegensatz zum Menschen - nicht in der Lage sind, andere Lebewesen auseinander zu dividieren in gute und schlechte , gesunde und nicht gesunde, abnorme und normale Anteile, sondern dass sie ihr Gegenüber jeweils ganzheitlich wahrnehmen und akzeptieren – so wie sie es nach unserem Kenntnisstand auch mit sich selbst tun. Sie nehmen weder positiv noch negativ, weder bewusst noch unbewusst Bezug auf mögliche Behinderungen und Einschränkungen und bewirken dadurch, dass diese auch für die Betroffenen selbst in den Hintergrund treten können und somit mehr Raum und Kraft für das eigentliche Leben entsteht.  

Tiere sind ehrlich, sie haben nicht die Option, sich zu verstellen. Dadurch erhält der Mensch, der mit ihnen umgeht, zwangsläufig eine Garantie zur Reflexion seines eigenen Verhaltens in Anwesenheit des Tieres (Spiegelfunktion). Menschen können Kritik in Form einer Reaktion auf eigenes Verhalten von einem wertfreien und nicht an geltenden gesellschaftlichen Normen orientierten Lebewesen erkennen und annehmen, ohne dabei Frustration aufzubauen. Es wird klar, dass ein Tier nicht diesen Menschen ablehnt, sondern eben auf gezeigtes Verhalten wie hektische Bewegungen oder eine zu laute Stimme reagiert. Umgekehrt ist es auch nicht möglich, sich dem Tier gegenüber zu verstellen, da dieses immer auf den tatsächlichen emotionalen Zustand des Menschen reagiert und dadurch die Basis für eine offene, ehrliche Beziehung schafft. Authentizität nach ROGERS ist eine gegebene Eigenschaft der Tiere, die immer eins mit sich selbst sind (im Bewussten und auch im Unbewussten) und den Menschen in ihrer ganzen Echtheit im Sinne von Empathie genau an dem Punkt abholen, an dem dieser sich gerade befindet. Diese Erfahrung, ganzheitlich mit allen Schwächen und Stärken angenommen zu werden, führt zur Bildung von Vertrauen sich selbst, aber auch anderen gegenüber und überträgt sich so auf andere Lebensbereiche.[4]

In diesen Prozess, (z. B. authentisches) Verhalten von Tieren zu übernehmen, spielen lerntheoretische Modelle mit hinein. Nach BANDURAS (1976) sozial-kognitiver Lerntheorie, dem “Lernen am Modell“, ist „der Erwerb neuer Verhaltensweisen und die Modifizierung der Charakteristika eine Funktion der Beobachtung des Verhaltens anderer Individuen und der entsprechenden verstärkenden Konsequenzen, ohne dass der Beobachter das Verhalten des Modells während dieser Vorgänge selbst ausführt“.[5] Das erworbene Verhalten wird also nach SKINNER (1938) im Sinne einer operanten oder instrumentellen Konditionierung durch positive Konsequenzen psychischer oder materieller Art verstärkt (z. B. Anstupsen mit der Hundeschnauze = Zuwendung) und in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit häufiger auftreten.[6] Dies kann natürlich auch durch negative Verstärker, d. h. das Wegbleiben oder Aufheben einer unangenehmen Situation, erfolgen.
Auch die systematische Desensibilisierung spielt in der tiergestützten Arbeit eine wichtige Rolle. Durch das Erlernen einer neuen Verknüpfung von Signalen und Reaktionen sollen Ängste abgebaut werden. Dies ist zum einen relevant bei Ängsten gegenüber dem Tier selbst, zum anderen auch bei der Abwendung von Ängsten durch Unterstützung des Tieres.

Ein weiterer Erklärungsansatz findet sich in der Biophiliehypothese nach WILSON u. KELLERT, die eine tief verankerte, evolutionär bedingte Verbundenheit des Menschen zu seinem natürlichen Umfeld beschreibt und auch begründet ist in einer früheren direkten Abhängigkeit der Menschen von der Natur (z. B. bei der Nahrungssuche). Dies impliziert eine unbewusste Affinität des Menschen zum Tier, die m. E. vermutlich verstärkt wird durch anthropozentrische Denkweisen im Hinblick auf unterschiedliche Tierarten. D. h. der Mensch, der die eigene Gattung als Optimum des Lebens sieht, wird sich mehr hingezogen fühlen zu Arten, die seiner eigenen Lebensweise am ehesten entsprechen (Bsp.: Hund – Säugetier, Rudeltier, Fleischfresser, ...).
 Zum Ende dieser Ausführungen möchte ich – ebenfalls in Anlehnung an OLBRICH – noch die „Schichtenlehre der Person“ nach ROTHACKER (1938) anführen. Er unterscheidet eine „Ich-Schicht“ (Bewusstsein), eine „Personschicht“ (Charakter), eine „Tiefenperson“ (emotionale Prozesse) und eine „Vitalschicht“ (Leibseele). Bei diesem Modell sind die höheren Schichten auf die niedrigeren angewiesen, die niedrigen Schichten können jedoch auch eigenständig ablaufen. Der Umgang mit Tieren ist den emotionalen Prozessen und damit der Tiefenperson zuzuordnen, was für die tiergestützte Arbeit bedeutet, dass Tiere auch dann und ganz besonders dann wirken, wenn Störungen der Ich-Schicht vorliegen z. B. im Rahmen geistiger Einschränkungen. Ein weiterer wichtiger Ansatz dieses Modells ist die Annahme, dass zwischen diesen Schichten eine ganzheitliche, abgestimmte Kommunikation abläuft, die in Abhängigkeit zur Stimmigkeit zwischen der Person und ihrer Umgebung steht[7]. Wenn es also gelingt, durch den Einsatz von Tieren die Kommunikationsfähigkeit eines Menschen mit der Umwelt zu fördern, fördert dies gleichzeitig das Wohlbefinden des Menschen, weil er in sich selbst ein Ganzes wird.
 
Letztendlich sagen alle diese Theorien in ihrer Quintessenz aus, dass in uns allen eine bewusste oder unbewusste Verbundenheit mit anderem Leben, insbesondere den Tieren, verankert ist, die durch ihre Aktivierung zur Identitätsfindung und Ganzheitlichkeit beitragen, unser Wohlbefinden steigern und dadurch das Aufarbeiten von körperlichen, geistigen, emotionalen und sozialen Einschränkungen erleichtern.


Hierzu möchte ich noch anmerken, dass sich in diesem Zusammenhang bei mir immer wieder ein wenig kritisch die Frage aufwirft, wie es demzufolge überhaupt möglich ist, dass Menschen Tiere quälen, misshandeln, missachten und ausnutzen oder einfach „nur“ nicht artgerecht halten. Die Antwort hierfür ist vermutlich in der jeweiligen Biografie dieser Menschen zu finden und lässt den Schluss zu, dass im Sinne des Tierschutzes genau geprüft werden muss, was Ausschlusskriterien für die tiergestützte Arbeit sind und bei wem unter welchen Rahmenbedingungen und zu welchem Zeitpunkt der Kontakt zu einem Tier hergestellt werden kann bzw. welche Vorarbeit (z. B. Aufklärung, Desensibilisierung) erforderlich ist.

  

 
 

[1] Vgl. OLBRICH in Menschen brauchen Tiere S. 184 ff.

[2] Vgl. ERNST im Internet

[3] OLBRICH in Menschen brauchen Tiere S. 51

[4] Vgl. hierzu OLBRICH in Menschen brauchen Tiere S. 192 ff.

[5] MEYER 1991, S. 47

[6] Vgl. PRACHT S. 152 ff.

[7] Vgl. OLBRICH in Menschen brauchen Tiere S. 52 f.


(Auszug aus: Schriftliche Abschlussarbeit)


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S. Mohr
Dipl. Sozialarbeiterin (FH) Zusatzausbildung: Tiergestützte Pädagogik/Therapie
 
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